Aluminium Legierungen

Begonnen von † Knut, 30 Juli 2007, 16:07:12

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† Knut

Moin zusammen,

habe mir mal die Mühe gemacht, die verschiedenen Guss-Aluminium-Legierungen an unseren Motorrädern zu analysieren und deren typische Eigenschaften aufzulisten. Unterschiede ergeben sich im Wesentlichen bei der Behandlung der Oberflächen für dekorative Zwecke. Beim Reinigen, Polieren oder Eloxieren sowie beim Schweissen oder Spanen ergeben sich aufgrund der Legierungszusammensetzung mehr oder weniger gute Ergebnisse.

Einfluss der Hauptlegierungselemente auf die Eigenschaften:
Silizium
verbessert die Gießeigenschaften, verursacht jedoch eine Graufärbung insbesondere beim Eloxieren
Kupfer
steigert die Festigkeit auch bei erhöhten Temperaturen, verschlechtert die Korrosionseigenschaften
Magnesium
bewirkt in Verbindung mit geringen Anteilen von Si die Selbstaushärtung, verbessert die Korrosionseigenschaften
Zink
verbessert die Festigkeit, verstärkt die Selbstaushärtung bei AlMg-Legierungen

Legierungsarten
Kolbenlegierungen:
etwa wie AlSi12CuNi(Mg) bestehen aus ca. 12% Silizium und je ca. 1,0% Kupfer, Nickel und Magnesium.
Durch den hohen Siliziumgehalt wird eine gute Giessbarkeit und hohe Warmfestigkeit gewährleistet. Die Zusätze an Cu, Ni bewirken eine Stabilisierung der Formänderung bei späterer thermischer Beanspruchung bei vorhergehender Wärmebehandlung (Suche auch "Hefekolben")
Werte bei 20°C: 0,2% Dehngrenze = ca. 200 MPa; Zugfestigkeit = ca. 210 MPa; Bruchdehnung < 1% !
Werte bei 200°C: 0,2% Dehngrenze = ca. 100 MPa; Zugfestigkeit = ca. 160 MPa; Bruchdehnung = 2,5%
Erstarrungsintervall 585 - 540°C
Die Legierung lässt sich sehr gut spanabhebend bearbeiten. Die Schweissbarkeit ist je nach Giessverfahren mäßig bis gut. Die Legierung ist gegen Witterungseinflüsse ausreichend, gegen Meerwasser jedoch nicht beständig.
Anwendungsbeispiel: Kolben, ggf. Al-Pleuel

Legierung für Zylinderkopf:
Sehr ähnlich der AlSi12CuNi aber aufgrund des geringeren Preises mit grösseren Toleranzen bei den sekundären Beimengungen wie Fe, Mn und Ti. Dadurch auch ca. 10% geringere Festigkeit.

Giess-Legierung für Gehäuse:
etwa wie AlSi6Cu4 bestehen aus ca. 6% Silizium und 4% Kupfer bei geringen Mangan und Magnesiumgehalten. Es ist eine günstige Legierung und erzeugt mäßige bis gute Oberflächen im Sandgussverfahren. Eine Wärmebehandlung wird durch die massive Verschlechterung der Bruchdehnung bei nur mäßiger Festigkeitssteigerung nicht durchgeführt.
Werte bei 20°C: 0,2% Dehngrenze = ca. 120 MPa; Zugfestigkeit = ca. 180 MPa; Bruchdehnung < 0,5% !
Werte bei 200°C: 0,2% Dehngrenze = ca. 60 MPa; Zugfestigkeit = ca. 130 MPa; Bruchdehnung = 1,5%
Erstarrungsintervall 630 - 500°C
Die Legierung lässt sich sehr gut spanabhebend bearbeiten. Die Schweissbarkeit ist gut, allerdings selten durchgeführt.
Die Polierbarkeit ist gut. Eine technische Eloxierbarkeit ist gut, es bildet sich eine grau bis grau-schwarze Eloxierschicht aus. Dekorative Schichten werden nicht angewendet.
Die Legierung ist gegen Witterungseinflüsse ausreichend, gegen Meerwasser jedoch nicht beständig.
Anwendungsbeispiel: Motor- Differential- und Getriebegehäuse, LiMa-Deckel, Bremstrommeln

Giess-Legierung für Dekorteile
GK-AlMg3 mit ca. 3% Magnesium und bis zu 0,5% Silizium. Geringe Anteile Ti und Be zur Kornverfeinerung werden heute zulegiert.
Werte bei 20°C: 0,2% Dehngrenze = ca. 80 MPa; Zugfestigkeit = ca. 150 MPa; Bruchdehnung = 5-10%
Erstarrungsintervall 650 - 600°C
Die Legierung lässt sich hervorragend mechanisch bearbeiten, die Schweissbarkeit ist ausreichend. Im Kokillengiessverfahren dichte Oberflächen.
Die Polierbarkeit ist ausgezeichnet, Gußteile sind chemisch oder elektrolytisch glänzbar, eine dekorative Eloxierung ist ausgezeichnet durchführbar.
Ausgezeichnet beständig gegen Witterungseinflüsse und Meerwasser.
Anwendungsbeispiel: Dekorative Anbauteile mit dichter Oberfläche wie Lenkungsdämpfer, Kappen der Stossdämpfer, Alu-Hülsen, Kupplungs- und Bremshebel, Stösselführung, Alu-Felgen

Wenn die Lichtmaschine aus Al gefertigt ist, kann es nur diese sein:

Giess-Legierung für LiMa- Rotoren und Anker:
Reinaluminium Al99,5 wegen der ausgezeichneten elektrischen Leitfähigkeit von bis zu 36 MS/m und der guten Zerspanbarkeit. Erstarrungstemperatur 660°C

Knut

† Knut


Rütz

Hallo,

hast du unsere Legierungen wirklich analysiert?
Ich frage, weil BMW z.B. die Gehäuse-Legierung als "Elektron" bezeichnet hat (Fahrerhandbuch).
Trotz des serienmäßig rauhen Aussehens finde ich, daß sie im Vergleich leichter und korrosionsfester sind als Gehäuse anderer (japanischer/italienischer...) Mopeds und habe immer geglaubt, daß der Magnesiumanteil deutlich höher ist.

Gruß Rütz
I never dared to be radical when young.
For fear it would make me conservative when old. (Robert Frost)

† Knut

Rütz,

die Daten habe ich mit einem "Hundertjährigen" für eine Vorlesungsreihe über "Aluminium - Urformen - Weiterverarbeitung - Betrieb - Recycling" gerade zusammengestellt. Der Co-Autor, ehemaliger Mitarbeiter der Vereinigten Aluminium Werke (VAW) hat dort in der Giesserei für viele Jahre neue Legierungen entwickelt.

Glaubt bloss nicht, dass ich mir die ganze Mühe wegen dem Forum gemacht habe  ;D ;D

Hinsichtlich der Dichte kann man die Unterschiede zwischen einem AlSi6Cu4 mit einer Dichte von 2,85 kg/dm³ und einem AlMg3 mit ca. 2,6 kg/dm³ wohl kaum merken. Die Bezeichnung "Elektron" habe ich noch nie gehört. Allerdings stimmt es, dass durch die Zugabe von Magnesium die Dichte reduziert und die Korrosionseigenschaften verbessert werden.

Nein, analysiert habe ich die Bauteile (noch) nicht. Spenden für eine nasschemische Analyse bzw. Spektralanalysen sind willkommen.  ;D

Ich wollte mit der Aufstellung nur bewirken, dass es zwischen Alu und Alu sehr wohl Unterschiede gibt, die bei der Problemstellung berücksichtigt werden müssen.

Knut

Rütz

ZitatDie Bezeichnung "Elektron" habe ich noch nie gehört.
Na jetzt bin ich platt. Wo man doch im Volksmund glaubt, ein Flugzeugbauer kennt gar nichts anderes..., außer noch Karbonfaser...
Ist wohl eher eine wenig geschützte/definierte Laienbezeichnung.

http://de.wikipedia.org/wiki/Elektron_%28Werkstoff%29

Rütz
I never dared to be radical when young.
For fear it would make me conservative when old. (Robert Frost)

guest474

Elektron _> Hinterrad der Münch Mammut.

Gruss Manfred

Stefan

Zitat von: Knut am 30 Juli 2007, 20:28:25
Glaubt bloss nicht, dass ich mir die ganze Mühe wegen dem Forum gemacht habe  ;D ;D

Mit dem Genitiv mußt Du Dir aber auch noch ein wenig Mühe geben.

Meines Wissens ist Reinalu nicht so dolle zerspanbar, wird hauptsächlich für Drück- und Ziehteile verwendet.

Gruß
Stefan

The evil is always and everywhere!

† Knut

Hey Rütz, vielen Dank für den Input. Wieder zwei Seiten fertig, mit den ich die Studenten quälen kann  ;D

Das beste Beispiel für die Verwendung von Magnesium im Fahrzeugbau hat VW mit dem Getriebegehäuse des Boxers gegeben. Bis 1968 wurden die Gußlegierungen AZ91 und AZ81 verwendet, die im wesentlichen wegen der guten Dämpfungseigenschaften verwendet wurden.

Die Eigenschaften:
AZ91 = 9.0% Al, 0.7% Zn
Zugfestigkeit 190 MPa, 0,2% Dehngrenze = 160 MPa, Bruchdehnung 3%, el. Leitfähigkeit = 7,1 MS/m (sprich: Mega Siemens pro Meter)
AZ81 = 8.0% Al, 0.7% Zn
Zugfestigkeit 190 MPa, 0,2% Dehngrenze = 100 MPa, Bruchdehnung 2%, el. Leitfähigkeit = 7,3 MS/m

Als die Motorleistung mit Einführung der 1,5l und 1,6l Motoren stieg, fiel die Kriechfestigkeit wegen der höheren Kurbelgehäusetemperaturen (bis 150°C) ab. Dies führte zum Kriechen der Magnesiumlegierung und zum Lockern der Kurbelgehäuseverschraubung. Die Gehäuse waren nicht mehr sicher abzudichten. Norsk Hydro und die TU Hannover entwickelten daraufhin zwischen 1965 und 1971 die Magnesiumlegierungen AS41 und später AS21 für Motor- und Getriebegehäuse.

Auch für diese Werkstoffe die Eigenschaften:
AS41 = 4.0% Al, 1.0% Si
Zugfestigkeit 210 MPa, 0,2% Dehngrenze = 140 MPa, Bruchdehnung 6%, el. Leitfähigkeit = 9,7 MS/m
AS21 = 2.0% Al, 1.0% Si
Zugfestigkeit 175 MPa, 0,2% Dehngrenze = 110 MPa, Bruchdehnung 9%, el. Leitfähigkeit = 10,5 MS/m

Die Werte für die elektrische Leitfähigkeit habe ich ganz bewusst mit angegeben. Wenn an den BMW Magnesiumlegierungen verbaut wurden, können es nur die AZ91 oder AZ81 sein. Die Messung der Leitfähigkeit mittels Sigmascope (Wirbelstromprüfung) habe ich gerade am Motorgehäuse durchgeführt (Trommelwirbel.......)

Zwischen 15,6 und 16,4 MS/m (Motor-, Getriebe- und Bremsgehäuse). Sollwerte für AlSi6Cu4 = 15,0 - 19,0 MS/m
Ca. 22 MS/m am Bremshebel. Sollwert für AlMg3 = 18,0 - 23,0 MS/m

Tja Rütz.... keine Magnesiumlegierung, kein "Elektron"

Knut

@ Stefan, habe mich gerade dieses Buch gekauft: http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Dativ_ist_dem_Genitiv_sein_Tod
hat aber noch nicht gehilft

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