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BMW R 20 Bj. 1937
aus
bma
01/03
von Konstantin Winkler
Motorräder
mit 200 Kubikzentimetern Hubraum - heutzutage nichts Halbes und nichts
Ganzes. Für 16-jährige Leichtkraftradfahrer und Auto-fahrer mit dem alten
Führerschein der Klasse 3 sind das 75 Kubik zu viel und für richtige Motorradfahrer
mindestens 50 Kubik zu wenig. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatten solche
Motorräder jedoch eine besondere Bedeutung: Sie waren als damals so genannte
Leichtkrafträder steuerfrei und durften sogar ohne Führerschein gefahren
werden. DKW und NSU waren auf diesem Sektor marktführend. Aber auch BMW
wollte was vom Kuchen abbekommen. Deshalb erschien 1931 die R 2. 6 PS
leistete die erste von fünf Serien, noch mit freiliegenden, kopfgesteuerten
Ventilen. Die Serien zwei bis fünf brachten es auf 8 PS. Bescheidene 4500mal
pro Minute rotierte die Kurbelwelle dabei. Robust und von wuchtiger Erscheinung
waren der Rahmen und die Blattfedergabel. Ein drehsteifer Pressstahl-Doppelrahmen
aus U-Profil sowie die U-förmige Stahlblech-Gabel sorgten für die nötige
Verwindungssteifheit.
Aus der R 2 wurde 1937 die R 20. Das Fahrwerk bestand nun aus einem verschraubten
Doppelrohrrahmen in Verbindung mit einer ölgedämpften Teleskopgabel. Auch
der Motor war eine Neukonstruktion. Mit 60 Millimetern Bohrung und 68
Millimetern Hub war er langhubiger ausgelegt als die R 2 (63 x 64 mm),
und obwohl beide die gleiche Leistung boten, war die R 20 drehfreudiger.
8 PS bei 5400 Umdrehungen - in den 30er-Jahren keine schlechte Leistungsausbeute
für einen solch kleinen Motor.
Technisch
wurde solide Hausmannskost geboten: Der Antrieb der Nockenwelle erfolgt
durch eine Kette von der Kurbelwelle aus. Die ellenlangen Stoßstangen
übertragen den Nockenhub aus der Tiefe des Motorgehäuses zu den Kipphebeln
in den Zylinderköpfen. Zwischen Stößel und Stoßstange sitzt eine kleine
Druckfeder. Dadurch läuft der Ventiltrieb etwas geräuschärmer. Für die
Kühlung ist der Fahrtwind zuständig. Anderthalb Liter Motoröl unterstützen
ihn dabei. Seltsamerweise haben die Nachkriegs-Einzylinder trotz mehr
Hubraum (250 ccm) und höherer Leistung (12 bis 18 PS) einen viertel Liter
weniger Öl in der Wanne. Und die kleine Druckfeder im Ventiltrieb gab
es auch nur vor dem Zweiten Weltkrieg.
Schon das Anlassen des von einem Amal-Einschieber-Vergaser befeuerten
Einzylinder-Motors macht viel mehr Spaß als beispielsweise bei einer mit
Einspritzanlage und Katalysator ausgestatteten BMW der neuesten Generation.
Man öffnet den unten am Tank befindlichen Kraftstoffhahn und flutet den
Vergaser, bis sich der Sprit auf dem Getriebegehäuse ergießt (wegwischen,
sonst gibt es mit der Zeit hässliche gelb-braune Flecken!). Dann wird
der Gasgriff etwas geöffnet und der Zündungshebel auf Spätzündung gestellt.
Nun drückt man oben am Scheinwerfer den Zündschlüssel ein und tritt kurz
aber kräftig auf den Kickstarter. Putt - putt - putt - es ist ein Ohrenschmaus,
was da aus dem Fischschwanz-Auspufftopf ertönt. Akustische Unterstützung
kommt vom Luftfilter: das typische Ansaugschnorcheln.
Das Getriebe arbeitet BMW-untypisch. Japanisch kurz und knackig rasten
die gewünschten Schaltstufen ein. Keine Spur von den langen Schaltwegen
aller Nachkriegs-BMWs. Dafür, dass es sich um den ersten Münchner Einzylinder
mit Fußschaltung handelte, hatten die Ingenieure perfekte Entwicklungsarbeit
geleistet. Dennoch ist volle Konzentration beim Schalten nötig. Die Gänge
liegen nämlich genau andersherum als heutzutage: Der erste Gang liegt
oben, darunter der Leerlauf. Der zweite sowie der dritte Gang werden durch
„Runterschalten” eingelegt.
Eine
Einscheiben-Trockenkupplung gibt des Motors Kraft an das Getriebe weiter.
Von dort aus geht es über eine elastische Hardyscheibe und eine verchromte
Kardanwelle zu den spiralverzahnten Kegelrädern im Kardanantrieb weiter.
Das besondere Merkmal der BMW R 20 ist der Werkzeugkasten. Die Schrauben-schlüssel,
Zange, Flickzeug und Montierhebel, die bei der R 2 noch in einem separaten
Kasten hinter der Batterie untergebracht waren, wanderten nun in einen
Behälter auf der Tankoberseite. Erstmals saß die Lichtmaschine von Bosch
vor dem Motor und der Unterbrecher am Kurbelwellenzapfen. Bei der älteren
R 2 befand sie sich noch links unten am Motor und wurde von der Steuerkette
mit angetrieben. Obwohl Fahrwerk und Motor leicht und elegant wirkten,
war die R 20 satte 20 Kilo schwerer als die optisch wuchtigere R 2, die
nur 130 Kilo wog. Deshalb hatten auch beide die gleiche Höchstgeschwindigkeit:
95 km/h.
Die drei Gänge stimmen während der Fahrt das Klagelied geradeverzahnter
Zahnräder an. Jenseits der 80 km/h-Marke legt die BMW allerdings nur noch
gemächlich zu. Das ideale Marschtempo pendelt sich bei Tacho 70 ein. Das
Ausnutzen des oberen Drehzahlbereichs bringt nicht viel. Der Motor zeigt
sich viel mehr angestrengt und tut dies auch mit empörtem Ventilschnattern
kund.
Die beiden Halbnabenbremsen kann man angesichts des geringen Fahrzeuggewichtes
und der bescheidenen Leistung durchaus als gut bezeichnen. Trotzdem riet
das Werk damals den R 20-Fahrern, bei längeren Talfahrten nicht beide
Bremsen zugleich zu benutzen, sondern abwechselnd, um nicht beide gleichzeitig
zu erhitzen. Low Tech auch bei der Beleuchtung. Während vorne Standlicht,
Abblend- und Fernlicht in bescheidener Sechsvolt-Qualität leuchten, hat
das Heck nur eine Einkammer-Rückleuchte zu bieten.
Für
genügend Bodenfreiheit in allen Lebens-lagen sorgen die großen 19 Zoll-Räder.
Allerdings sind die Reifen recht schmal: 3.00-19. Das Ausbauen der Räder
geht dank Steckachsen problemlos. Einfach und bequem sind auch die übrigen
Wartungsarbeiten zu erledigen. Alle 2000 Kilometer muss das Motoröl gewechselt
werden. Getriebe- und Kardanöl sogar nur alle 15.000 Kilometer (wie bei
modernen BMWs). Öfter (alle 300 bis 500 km) muss allerdings abgeschmiert
werden. Dann verlangen die zahlreichen Schmiernippel und Hebel nach frischem
Fett. Nur zwei Jahre lang - 1937 bis 1938 - wurde die R 20 gebaut. 5000
Exemplare liefen von den Münchner Fließbändern. Sie war nur so kurz im
Programm, weil 1938 neue Zulassungsbestimmungen in Kraft traten, und 200er
fortan nicht mehr von der Führerscheinpflicht befreit waren. Statt dessen
wurde für Krafträder bis 250 ccm eine neue Führerscheinklasse geschaffen.
Und so reagierte BMW ebenso wie viele andere Firmen mit einem neuen Modell
für die Viertelliter-Klasse: die R 23 war geboren.
Der quadratisch ausgelegte Motor (Bohrung und Hub jeweils 68 mm) leistete
10 PS bei gleicher Drehzahl, jedoch schlugen sich die zwei PS Mehrleistung
nicht ein einer höheren Endgeschwindigkeit nieder. Und der Werkzeugkasten
verschwand in den Tank. Verschwunden war dann auch 1940 die R 23. Der
Krieg zwang BMW zum Bau von Wehrmachtsgespannen.
Die R 20 vermittelt ausgeprägtes Oldtimerflair in Verbindung mit einem
hohen Reifegrad (und natürlich reichem Chromzierrat). Wer 80 km/h für
wenige Minuten mit der alten BMW erleben und genießen darf, sehnt sich
nicht nach den möglichen 300 km/h einer jungen Hayabusa.
Obwohl sie schon über 60 Jahre alt ist, ist ihr das Alter kaum anzusehen.
Vor allem, wenn ein öffentlicher Auftritt, sprich Oldtimertreffen, bevorsteht,
werden alle Register der Schrauberkunst und Schönheitspflege gezogen.
Alle Mühen, Kosten und Arbeit sind wieder vergessen, wenn man merkt, wie
sehr sich auch andere über ihren Anblick freuen.
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